„28, 25, 23 km/h. Der Motor ist aus. Bei der Einfahrt in das Stadtzentrum von Münster machen die Muskeln schlapp. Noch 5 Kilometer bis ins Ziel. Die zurückgelegten 96 Kilometer und der Gegenwind fordern ihren Tribut.“

Am 03. Oktober fand in Münster der 17. Sparkassen Münsterland Giro und das daran angeschlossene LeezenCup Jedermann/Jederfrau Straßenrennen statt. Laut Veranstalter meldeten sich mehr als 5.200 Sportler:innen für die Rennen über 60, 95 oder 125 Kilometer an; darunter auch eine kleine Gruppe aus vier Rennradler:innen vom RC Buer. Es sollte mein erstes Radrennen werden.

Der gemeinsame Streckentest im August verlief positiv, die Strecke schien schaffbar und die Höhenmeter, nicht unbedingt meine Stärke, hielten sich mit weniger als 500 hm in Grenzen. Vor der Dynamik im Fahrerfeld und dem teilweise nicht gerade zimperlichen Umgang beim Rennen wurde ich gewarnt. Aber mit den Vereinskollegen um einen herum sollte auch dies hoffentlich unfallfrei klappen.

Der Renntag rückte näher und leider verkleinerte sich unser RC Team aus verschiedenen privaten und gesundheitlichen Gründen. Am Ende blieb dann irgendwie nur noch ich.

 

Am Montag, 02. Oktober startete ab 15:00 Uhr die Ausgabe der Startunterlagen. Damit ich dem möglichen Trubel am Tag darauf entgehe, entschied ich mich, auch bereits montags meine Startunterlagen abzuholen. Außerdem konnte ich mir direkt die Parksituation ansehen, um mich damit am Renntag nicht noch zusätzlich zu stressen. Ab 17:00 Uhr war wohl der ganz große Andrang schon vorbei und so war es für mich ein schnelles Rein und Raus ohne Warteschlangen. Von der Anmeldung aus waren Start und Ziel bereits gut ausgeschildert.

 

Renntag

Um 5:45 Uhr klingelt der Wecker. Die Nacht über habe ich schlecht geschlafen. Zum Frühstück gibt es den obligatorischen Kaffee und ein Glas Orangensaft. Feste Nahrung verweigert mein Körper. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für das heutige Vorhaben. Ich habe in der letzten Woche aber reichlich Kohlenhydrate gebunkert.

Dank der guten Ausschilderung stehe ich pünktlich im Startblock C im Münster auf dem Prinzipalmarkt. Die Kulisse ist schon toll, aber hier liegt Kopfsteinpflaster mit breiten Fugen, in denen auch mal ein schmaler Rennradreifen stecken bleiben könnte. Zum Glück ist es noch trocken. Die Reihen füllen sich und es wird ganz schön eng.

Startschuss. Block auf Block wird auf die Rennstrecke gelassen. Im neutralisierten Start geht es über knapp 4 km erst einmal aus der Stadt heraus. Das Tempo ist locker, also ein 30’er Schnitt. Kurz vor der Rennfreigabe liegt auch schon der erste Sportler auf dem Boden und die ersten Trinkflaschen fliegen umher. Es sollen noch deutlich mehr werden.

Schiffahrter Damm. Jetzt geht es richtig los. Meine Gruppe nimmt deutlich Fahrt auf. Auf den ersten 30 Kilometern sind wir mit einem 38’er Schnitt unterwegs. Ich schaue, dass ich immer jemanden vor mir habe, mache jedoch auch Plätze nach vorne gut. Es rollt für uns, aber ich muss konzentriert bleiben. Ich werde von der Seite angerempelt und muss über den grünen Randstreifen ausweichen. Andere haben da etwas weniger Glück und stehen mit Defekten am Straßenrand oder müssen nach Stürzen medizinisch versorgt werden.

Langsam nimmt die Steigung zu. Wir nähern uns dem heutigen Scharfrichter: dem Teuto. Hier zerfallen die Gruppen und jeder strampelt für sich selbst. Einigen geht die Puste aus und sie müssen ihre Räder schieben. Hügel sind nicht mein Ding, aber ich bleibe in Bewegung und überhole sogar – und nicht nur die Fahrradschieber.

Der erste Hügel ist geschafft, aber es findet sich für mich keine Gruppe mehr, an die ich mich anhängen kann. Also geht es erst einmal alleine weiter. Was eine ziemlich blöde Idee ist, weil der Wind deutlich zugenommen hat. Nützt aber nichts und der zweite Hügel der Teuto Querung steht an.

Die Verpflegungsstation ist eher ernüchternd. Im Vorbeirauschen werden Bananen und Müsliriegel gereicht. Ich erwische einen Riegel, der sich aber für mich unterwegs nicht mit einer Hand öffnen lässt. Also wandert das Ding in die Rückentasche für später. Einen Boxenstopp habe ich eh nicht eingeplant und bin auf Selbstversorgung eingestellt.

Auf dem letzten Drittel formt sich eine Gruppe, bei der ich mitfahre. Es reißen jedoch immer wieder große Lücken auf. Das Zufahren kostet viel Kraft. Der Gegenwind mit starken Böen hat es in sich.

90 km, ich bin raus. Die Lücke kann ich nicht mehr zufahren und bin mehr oder weniger alleine unterwegs. Das Tempo sinkt auf 26 km/h. Ich lasse einzelne Fahrer:innen hinter mir, die sich vergeblich versuchen anzuhängen, aber auch bei denen ist der Tank leer. An mir zieht noch eine größere Gruppe vorbei und für 800 m kann ich noch einmal ordentlich Fahrt aufnehmen, aber leider nicht lange genug halten. Ich muss erneut abreißen lassen.

Es geht wieder zurück in das Münster Stadtzentrum. Die jubelnden Zuschauer wirken nicht bei mir. Meine Geschwindigkeit sinkt auf 23 km/h. Auf der Fahrbahn neben mir ziehen Servicefahrzeuge des Veranstalters vorbei. Oh je, bitte nicht in den Besenwagen. Gang runter. Trittfrequenz rauf. All-out. Noch zwei Kurven, 28, 30, 35 km/h. Der Trubel und Krach der Tribüne ist deutlich zu hören. Für einen symbolischen Sprint fehlt die Kraft. Wozu auch? Das Rennen ist gelaufen. Ich bin durch. Nettozeit: 02:59:39. 33’er Schnitt.

 

Am Sammelplatz muss ich mich erst einmal setzen. Der Kreislauf macht kurz schlapp. Ein großer Schluck aus der Trinkflasche und mein drittes Gelpack am heutigen Tag. Der Körper fährt herunter und mir wird kalt. Also wieder auf die Beine und ab zur Getränke Verpflegung. Ich mag den Geschmack von Bier nicht, aber die erste 0,0’er Flasche geht mit einem Zisch runter. Für eine zweite lasse ich mir etwas mehr Zeit. Jetzt noch für die Medaille anstellen und allen mitteilen, dass ich heil angekommen bin. Nach einer Portion Nudeln wird der Körper auch langsam wieder warm. Da keine “Fans” auf mich warten, geht es direkt wieder zurück ins Parkhaus, Rennrad verstaut und ab nach Hause.

 

„Für Dein erstes Straßenrennen mit mehreren Tausend Startern hast Du Dich super geschlagen.
Eigentlich hatte ich da auch keine großen Zweifel, so wie Du Dich in den letzten Wochen bei unseren Ausfahrten präsentiert hast - Respekt.“

Andreas Fischer, Abteilungsleitung Rennrad

 

Mein erstes Rennradrennen war eine tolle Erfahrung. Die Frage, ob es Spaß gemacht hat, bleibt vorerst unbeantwortet, aber es wird wahrscheinlich nicht mein letztes Rennen bleiben. Die Anmeldung für den Giro 2024 ist bereits geöffnet.